Der Gewichtsverlust bei Krebs beginnt oft schon vor der Diagnose. Deshalb ist die Ernährung während der Krebstherapie weit wichtiger, als vielen bewusst ist. Die richtige Ernährung kann einer Tumorkachexie – dem drastischen Abbau von Gewicht und Muskeln, gefolgt von Erschöpfung – entgegenwirken. Sie hilft, die Lebensqualität zu bewahren und die Erfolgsaussichten der Krebsbehandlung zu steigern.
Viele Patient:innen verlieren während einer Chemotherapie oder Bestrahlung stark an Gewicht. Der Körper wird schwächer und Nebenwirkungen nehmen zu. Im schlimmsten Fall muss die Therapie abgebrochen werden oder die Tumorkachexie endet tödlich.
In meiner Arbeit als Ernährungstherapeutin erlebe ich oft, dass Krebspatient:innen erst Hilfe suchen, wenn sie bereits massiv Gewicht verloren haben. Dabei ließe sich eine Tumorkachexie in vielen Fällen vermeiden, wenn man frühzeitig mit der Ernährungstherapie beginnt. Leider informieren Krankenhäuser und Arztpraxen oft nicht ausreichend über dieses Thema. Viele Patient:innen vertrauen darauf, dass die Ärzt:innen alles regeln. Doch diese sind keine Ernährungsexperten und können sich selten die nötige Beratungszeit für individuelle Verhaltensanpassungen nehmen. So erkennen viele Krebspatient:innen erst spät, dass sie selbst aktiv werden müssen.
Eine Ernährungstherapie zielt darauf ab, den Gewichtsverlust zu stoppen, verlorenes Gewicht wieder aufzubauen und Beschwerden zu lindern. So gewinnen Patient:innen mehr Kraft für den Alltag und die Therapie.
Was ist eine Tumorkachexie und wie erkennt man sie?
Als Kachexie bezeichnet man eine starke Abmagerung des Körpers. Tritt sie bei Krebspatient:innen auf, spricht man von einer Tumorkachexie. Betroffene fühlen sich abgeschlagen und müde und haben Mühe, zu essen und zu trinken.
Symptome der Tumorkachexie sind:
- Starker Gewichtsverlust
- Appetitlosigkeit
- Verlust vor allem von Muskelmasse und auch Fettmasse
- Schwäche und Erschöpfung
Expert:innen diagnostizieren eine Tumorkachexie, wenn:
- das Körpergewicht in den letzten sechs Monaten ungewollt um mehr als fünf Prozent gesunken ist
- das Gewicht in den letzten sechs Monaten ungewollt um mehr als zwei Prozent gesunken ist und der Body-Mass-Index (BMI) unter 20 liegt
- ein starker Abbau von Gewicht und Muskeln innerhalb weniger Wochen vorliegt
- erhöhte Entzündungswerte und ein niedriger Albuminspiegel im Blut (ein Marker für chronische Entzündungen) können bei Krebs und während der Krebstherapie ebenfalls auf eine Tumorkachexie hinweisen
Wie entsteht eine Tumorkachexie?
Mehr als die Hälfte aller Krebspatient:innen entwickelt im Verlauf der Krankheit eine Kachexie. Oft liegt es daran, dass Betroffene wegen Appetitlosigkeit, Übelkeit, Schluck- oder Verdauungsbeschwerden zu wenig essen und sich wegen Kraftlosigkeit zu wenig bewegen.
Hinzu kommt, dass der Körper bei einer Krebserkrankung mehr Energie benötigt. Der Tumor löst Entzündungen aus und beschleunigt den Stoffwechsel. Um Energie zu gewinnen, greift der Körper auf Reserven zurück und baut Muskeln und Fett ab. Er verbraucht dabei mehr Energie, als er über die Nahrung aufnimmt, was den Gewichts- und Muskelverlust auslöst.
Zudem kann der Darm bei Krebs die Nährstoffe aus der Nahrung oft nicht richtig aufnehmen. Dadurch entstehen Mangelerscheinungen wie Blutarmut (Anämie), die Schwäche und Erschöpfung auslösen.
Tumorkachexie beeinflusst Prognose und Erfolg der Krebstherapie
Die Tumorkachexie ist eine ernste Bedrohung. Sie schwächt den ganzen Körper und schränkt das Leben von Krebspatient:innen stark ein. Selbst einfache Tätigkeiten wie Geschirr spülen oder spazieren gehen werden zur Herausforderung. Der geschwächte Körper kann sich außerdem schlechter gegen Viren und Bakterien wehren, was die Anfälligkeit für Infekte erhöht.
Die Kachexie beeinflusst auch die Prognose und den Erfolg der Krebstherapie. Im schlimmsten Fall muss die Behandlung abgebrochen werden, weil der Patient zu schwach ist. Etwa jeder fünfte Todesfall bei Krebspatient:innen geht auf eine Mangelernährung zurück.

Brauchen Sie Unterstützung bei Ihrer Ernährung während einer Krebserkrankung?
Haben Sie kaum noch Appetit oder schmeckt plötzlich alles anders? Wissen Sie nicht mehr, wie Sie überhaupt noch essen sollen?
Als zertifizierte Ernährungstherapeutin helfe ich Ihnen, Ihr Gewicht zu halten und eine Tumorkachexie zu vermeiden. Gemeinsam schauen wir an, wie Sie Ihren Körper während der Krebsbehandlung optimal stärken und mehr Energie für Alltag und Therapie gewinnen.
Das können Sie gegen Tumorkachexie tun
Nehmen Sie eine Tumorkachexie ernst. Denken Sie nicht, „ein bisschen Abnehmen schadet mir nicht!” Handeln Sie frühzeitig und beginnen Sie direkt nach der Krebsdiagnose mit einer Ernährungstherapie – nicht erst, wenn Sie schon deutlich an Gewicht verloren haben.
Häufig setzt der Gewichtsverlust schon ein, bevor der Krebs diagnostiziert ist. Deshalb ist es entscheidend, eine Mangelernährung früh zu erkennen und den Gewichts- sowie Muskelabbau rechtzeitig zu stoppen. So verbessern Sie Ihre Lebensqualität, unterstützen die Therapie und senken das Sterberisiko.
Was essen bei Tumorkachexie? 12 Ernährungstipps, um den Gewichtsverlust bei Krebs zu stoppen
Krebspatient:innen brauchen eine angepasste Ernährung, um den Körper mit ausreichend Energie und Nährstoffen zu versorgen. Eine individuelle Ernährungstherapie kann Sie dabei unterstützen.
Die folgenden Tipps helfen, eine Tumorkachexie zu verhindern oder zu stoppen.
1. Erhöhen Sie Ihre Eiweißzufuhr
Essen Sie viel Eiweiß, um Muskeln zu erhalten und aufzubauen. Pro Tag sollten Sie mindestens 1,2 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nehmen. Je nach körperlicher Verfassung und Tumorerkrankung kann der Bedarf auch höher, und nur in sehr seltenen Fällen niedriger sein. Eine frühzeitige Betreuung durch eine Ernährungstherapie ist daher besonders wichtig.
Gute Eiweißquellen sind Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Quark, Frischkäse, Joghurt, Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide. Proteinshakes können helfen, zusätzliches Eiweiß aufzunehmen.
2. Verteilen Sie viele kleine Mahlzeiten über den Tag
Bei Appetitlosigkeit oder Übelkeit hilft es, fünf bis sechs kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen. Dadurch sind sie leichter verträglich und versorgen den Körper regelmäßig mit Energie und Nährstoffen.
3. Essen Sie, was Ihnen guttut
Vergessen Sie die Idee von „guten” und „schlechten” Lebensmitteln oder dass Sie auf bestimmte Nährstoffe wie Kohlenhydrate gänzlich verzichten müssen – wichtig ist, dass Sie essen. Essen Sie, was Sie vertragen und was Ihnen schmeckt. Achten Sie auf eine bunte und abwechslungsreiche Ernährung, die wenig industriell verarbeitete Lebensmittel beinhaltet, um Ihren Körper mit ausreichend Vitaminen und Nährstoffen zu versorgen.
Nach der Therapie kann dann die Ernährungsweise wieder individuell auf den eigenen Stoffwechsel, mögliche Vorerkrankungen und den Alltag angepasst werden.
4. Essen Sie energie- und nährstoffreich
Gleichen Sie den erhöhten Energiebedarf mit nährstoffreichen Lebensmitteln aus. Bevorzugen Sie eiweißreiche Speisen, gesunde pflanzliche Fette (z.B. Olivenöl, Avocados, Nüsse), Omega-3-reiche Lebensmittel wie Fisch und vitaminreiches Gemüse (frisch oder unverarbeitet tiefgekühlt).
Leiden Sie neben dem Gewichtsverlust auch an extremer Müdigkeit und Erschöpfung? In diesem Blogbeitrag finden Sie 10 Ernährungstipps bei Fatigue bei Krebs
5. Trinken Sie ausreichend
Trinken Sie pro Tag möglichst 30 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht Wasser oder ungesüßte Getränke. Bei einem Körpergewicht von 80 Kilogramm sind das 2,4 Liter.
6. Bevorzugen Sie unverarbeitete Lebensmittel
Greifen Sie zu frischen, naturbelassenen Produkten und vermeiden Sie Fertiggerichte oder verarbeitete Fleischwaren wie Wurst oder Aufschnitt. Denn unverarbeitete Lebensmittel enthalten mehr Nährstoffe und weniger schädliche Zusatzstoffe wie Zucker, Salz oder ungesunde Fette. Beispiele für unverarbeitete Lebensmittel sind Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch, Fleisch, Eier und Milchprodukte in Bioqualität.
7. Betreiben Sie keine übertriebene Hygiene mit Lebensmitteln
Aus Angst vor Infektionen befolgen Krebspatient:innen oft zu strenge Hygienemaßnahmen. Sie verzichten zum Beispiel auf Salat oder rohes Gemüse und Obst oder reinigen es steril. Übermäßige Hygienemaßnahmen schwächen jedoch das Immunsystem zusätzlich. Eine normale Küchenhygiene reicht aus. Waschen Sie Obst und Gemüse gründlich, nutzen Sie Holzschneidebretter und schneiden Sie Fleisch und Gemüse auf getrennten Brettern und waschen Sie sie nach Gebrauch direkt unter fließendem Wasser ab.
8. Regen Sie Ihren Appetit an
Richten Sie den Teller und den Tisch schön an, um die Lust aufs Essen zu erhöhen. Starke Gerüche können Krebspatient:innen den Appetit verderben oder Übelkeit auslösen. Kochen Sie darum in der Küche mit geschlossener Tür und geöffnetem Fenster, um Essensgerüche in der Wohnung zu vermeiden und verzichten Sie auf stark riechende Gewürze. Bewegung an der frischen Luft kann zusätzlich helfen, den Appetit anzuregen.
9. Nehmen Sie Hilfe an
Teilen Sie Aufgaben im Haushalt neu auf. Wenn Sie sich zu schwach fühlen oder Kochen Ihnen den Appetit verdirbt, lassen Sie sich von Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner bekochen oder bitten Sie Bekannte, Ihnen Essen mitzubringen. Außerdem können Sie Lieferdienste nutzen, die Kochboxen liefern, aus denen Sie mit frischen Zutaten ein gesundes Menü zubereiten können.
10. Verzichten Sie auf Alkohol und Kaffee
Vermeiden Sie Speisen, die die Magenschleimhaut reizen wie scharfe Gewürze, Kaffee oder Alkohol.
11. Schaffen Sie Tagesstrukturen
Feste Tagesabläufe helfen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit zu überwinden. Planen Sie regelmäßige Mahlzeiten und Aktivitäten ein.
12. Bewegen Sie sich
Sport stärkt die Muskulatur und regt den Appetit an. Nutzen Sie Angebote in onkologischen Sportzentren oder gehen Sie an der frischen Luft spazieren. Bewegung tut Ihrem Körper und Geist gut.
Weitere hilfreiche Tipps zur Ernährung bei Krebs finden Sie in diesem Ratgeber der Deutschen Krebshilfe und in diesem Ernährungs-Ratgeber des CIO Bonn.
Fazit: Gewichtsverlust bei Krebs stoppen
Tumorkachexie ist mehr als ein bisschen Gewicht verlieren. Sie ist ein ernstzunehmender Zustand und kann den Therapieverlauf verschlechtern und die Lebensqualität von Krebspatient:innen erheblich verringern.
Je früher Sie den Gewichts- und Muskelabbau bei Krebs bekämpfen, desto größer sind Ihre Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung und eine Rückkehr zu einem Leben mit mehr Kraft und Energie.
Unterstützen Sie Ihren Körper mit vielen kleinen, energiereichen (reich an Fett und moderat an Kohlenhydraten) und eiweißhaltigen Mahlzeiten. Eine individuell angepasste Ernährungstherapie hilft Ihnen dabei.
Quellenangaben
Für die Erstellung dieses Beitrags wurden die folgenden Studien und Quellen genutzt.
- Faber, Gerhard & Beinert, T. & Hass, H.G. & Lotze, Christian. (2011). Krebs und Ernährung. Der Onkologe. 17. 906-912. 10.1007/s00761-011-2110-0.
- Arends, J: Kachexie. FORUM 2014, 29(5):392-399
- Deutsche Krebshilfe, Blauer Ratgeber: Ernährung bei Krebs (2023)
- CIO – Centrum für Integrierte Onkologie Uniklinik Köln, Ernährungsempfehlungen bei Krebs
- CIO – Centrum für Integrierte Onkologie Uniklinik Köln, Ernährungstipps bei Gewichtsverlust
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